Vier Tage Ausnahmezustand: Taubertal Festival 2025 rockt Rothenburg

von | Aug. 16, 2025

Taubertal 2025/ Foto: niveau-klatsch

Taubertal 2025/ Foto: niveau-klatsch

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Still ruht der See schrieb Heinrich Pfeil im 19. Jahrhundert und auch wenn er vielleicht von einer verträumten See-Kulisse inspiriert gewesen ist, hätte das Taubertal ebenso gut als Vorlage dienen können. Aber wo sonst eigentlich Vögel friedlich schlafen und der heilige Odem Gottes weht, wehte dieser Tage ein anderer Wind. Vom 07. bis zum 10 August 2025 war wieder Taubertal-Festival und das heißt die Pegel sind bis zum Anschlag.

Der Taubertal Donnerstag

Am Donnerstag eröffneten Dubioza Kollektiv ab 18:15 Uhr die Hauptbühne und seitdem ist das friedliche Tal wieder Melting Pot für Post-Hardcore, Crossover, Nu-Metal, Rap, Punk und Indie. Gleich danach folgten die H-Blockx und auf die ist euer werter Verfasser schon in den 90ern abgefahren. Gute Musik funktioniert auch nach über 30 Jahren. Ich sag nur: Rising High! Bis in die letzten Jahre war der Steinbruch immer der Ort, wo der Festival-Start gefeiert wurde, aber da dort nicht mehr als 3.000 Besucher Einlass finden und zuletzt immer wieder Leute abgewiesen werden mussten, war die Verlegung auf die Hauptbühne die richtige Konsequenz.

Freitag: Von ersten Beats bis zur großen Headliner-Show

Ab Freitag ging es dann auch wieder auf drei Bühnen zur Sache und auch wenn im Festival Village eher die kleineren Acts gebucht waren, war dort die Stimmung nicht weniger gut. Im Tal waren aber die meisten Leute und gerade was Party angeht, ging die dann bei Paula Carolina auf der Nature Stage abends um kurz vor acht Uhr erst richtig ab. Zu recht startete die Sängerin gleich auch mit einer Kritik an der Booking-Strategie, gehörte sie als Stimme der Band zu einer der sehr wenigen weiblichen Acts auf dem diesjährigen Festival. Nach diesen einleitenden Worten stellte sie dann sehr schnell den Beweis, warum uns weibliche Musiker fehlen, denn die Themen, die sie bewegen, bewegen auch das Publikum ganz anders (Stichwort:Trophäe).

Während die Band noch spielte startete der Auftritt von I Prevail an der Taubertal-Stage. Die Post-Hardcore-Band aus Michigan, seit kurzem ohne alten Frontmann Brian Burkheiser, nahmen schnell die Bühne als auch das Publikum für sich ein. Mit Eric Vanlerberghe als Shouter wurde die Lücke aber gut geschlossen. Um 22 Uhr starteten dann Kasi auf der Nature Stage und die beiden Jungs, Kasi und Antonius, aus Frankfurt hatten eine große Fanbase versammelt, die gleich von Anfang an bei jedem Lied mitging.

Zurück an der Hauptbühne fing mit etwas Verspätung Papa Roach an. Die Band hatte von Anfang an nur eines im Sinn – Vollgas. Die Band hatte sich 1993 in Kalifornien gegründet und ist wie viele Crossover-Bands in der Nu-Metal-Welle des neuen Jahrtausends durchgestartet. Seitdem hat die Band mehr als 80 Millionen Alben verkauft und ist ein gern gesehener Gast auf allen Rock- und Metall-Festivals. Das Publikum war einstimmig begeistert und feierte die Papa Roach frenetisch.

Taubertal Festival 2025

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Taubertal Festival 2025/ Foto: niveau-klatsch

Kurz nach Mitternacht kam die Band zum Ende und die Besucher verließen langsam das Gelände. Während des Konzerts trat aber mal wieder ein Handicap in Erscheinung, dass auf anderen Festivals mittlerweile behoben ist. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund schaffen es die Veranstalter nicht mit einem Mobilfunkanbieter ein stabiles Handynetz für die Besucher zur Verfügung zu stellen. Wie oft sieht man Hände, die ihr Telefon gen Himmel recken, nicht um die Band zu fotografieren, sondern um verzweifelt nach Netz zu suchen, um die letzte Nachricht an Freunde zu senden oder ein Foto in den Insta-Account zu laden. Das neue Wlan für die Besucher bricht laufend zusammen und dieses Jahr war das Festival war mit gemeldeten 15.500 Besuchern nicht einmal voll ausverkauft.

Es ist ärgerlich, aber lasst uns nicht vergessen, dass wir froh sein können, dass das Taubertal noch funktioniert. Das Rocko del Schlacko, das ebenfalls am letzten Wochenende stattgefunden hat, schließt seine Pforten für immer. Das Festival, das seit 1999 im Saarland stattgefunden hat, gab bekannt, dass 2025 die letzte Ausgabe war. Zu heftig war der Druck und der Kampf gegen große Investoren, die die Festivallandschaft immer mehr fluten und das Genre kommerzialisieren.

Der Samstag liefert ein Line-up von Madsen, Irie Révoltés und Team Scheiße bis Kontra K

Der Samstag begann etwas weniger strahlend als der Freitag aufgehört hatte, aber spätestens bei Irie Révoltés war die Sonne wieder da und die Stimmung ausgelassen. Die Heidelberger Band mit den französischen Einflüssen hatte sich 2025 für ein Jahr wiedervereint, nachdem sie sich 2017 getrennt hatten. Das Erstaunliche daran war, dass man der Band die Pause von acht Jahren überhaupt nicht anmerkte. Die Stücke wirkten wie frisch geschrieben und die sozialkritischen Themen erschreckend aktuell. Rassismus, Homophobie und Sexismus bekämpft die Band auch abseits der Bühne in diversen Projekten und setzt sich ebenfalls für den Zugang zu sauberem Trinkwasser in Entwicklungs- und Schwellenländern ein.

Danach wurden Madsen auf der Hauptbühne begrüßt und die drei Brüder aus dem Wendland, die seit den Neunzigern zusammen spielen, konnten von Anfang an das Publikum für sich begeistern. Seit 2004 sind Madsen unter diesem Namen auf Tour und haben mittlerweile so viele deutschsprachige Hits geschrieben, dass keiner im Publikum nicht mitsingen konnte. Spätestens bei „Du schreibst Geschichte“ sangen alle Zuschauer aus gut geölten Kehlen mit und der Samstag hatte seinen ersten Höhepunkt erreicht.

Kurz danach starteten Heisskalt auf der Nature Stage und gingen gleich von Anfang an nach vorn. Ähnlich wie Irie Révoltés hatten sie 2018 eine Bandpause eingelegt, die sie erst im August 2024 wieder beendeten. Im Januar 2025 erschien das neue Album „Vom Tun und Lassen“ und auch wenn der Song „Wasser, Luft und Licht“ mit den Worten „Ich muss nicht wissen, was ich tue…“ beginnt, so wusste doch die Band ganz genau was zu tun war, drehte alle Regler nach rechst und gaben Gas.

Nach der Band aus dem Stuttgarter Raum kamen Team Scheisse aus Bremen auf die Bühne und was dann paasierte, war eine Mischung aus Stand-Up-Comedy und Punk-Konzert. Mello Kanone kam mit einem Plastik-Fisch auf die Bühne, mit dem sie erst kurz Zweisprache hielt und dann den ersten Takt angab. Die Band, sich in den Liedpausen gerne mit aktueller Politik auseinandersetzt und dabei betont improvisiert vorgeht, hat offensichtlich Spaß daran, dass kein Drehbuch den Kreativ-Prozess beherrscht. Die verschiedenen Bandmitglieder tauschen Gedanken aus und stürzen sich dann wieder gemeinsam in die Song. Besonders überzeugte uns an diesem Abend Mello, die neben ihrer ausgezeichneten Arbeit an der Gitarre auch immer wieder für FLINTA*-Awareness Akzente setzte und die Macker im Publikum dazu aufforderte sich rücksichtsvoll zu verhalten.

Ein kompletter Gegenentwurf zu diesem Auftritt war der Rapper Kontra K, der als Headliner am Samstag Abend die Hauptbühne schloss und das Licht ausmachte. Der Sänger weiß jeder Zeit, wo er stehen muss und was er sagen muss und seine weißen Zähne blitzen mit einem überirdischen Leuchten von den Großbildschirmen ins Publikum. Der Rapper, der aktuell wegen des Handels mit Betäubungsmitteln im Fokus der Staatsanwaltschaft Berlin steht, pflegt gerne sein Image als Gangster-Rapper.

Das wirkt mittlerweile ein bisschen aus der Zeit gefallen und auch wenn die Musik gut produziert und einwandfrei performt ist, warten die meisten im Publikum doch nur darauf, dass der Mann sein T-Shirt auszieht. Und genau das wird inszeniert. In Interviews dagegen (z.B. mit der SPD-Politikerin Katarina Barley) zeigt der Rapper wenig Verständnis für politische Zusammenhänge und fordert einfache und präzise Aussagen für hochkomplexe Problemstellungen. Die Bühne hatte Kontra K an diesem Abend jedenfalls im Griff und er forderte auch zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf („seid nett zueinander“).

Am Sonntag musste das Festival dann leider ohne uns auskommen, denn andere Verpflichtungen zogen uns wieder in Richtung Ruhrgebiet, aber das wird an anderer Stelle erzählt.

Euer Taubertal-Team,

Mike und Carsten

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