Conny „meets“ Gayle Tufts

von | Jul 19, 2012

Conny und Dennis meet Torsten Sträter

Conny und Dennis meet Torsten Sträter

niveau-texter

Mein heutiges Telefoninterview durfte ich mit der amerikanischen Entertainerin und Allround- Talent Gayle Tufts führen!

Im Rahmen ihrer „Some like it heiß“- Tour kommt sie am 02.11.2012 ins Savoy Theater/ Düsseldorf!

Lest selbst, was ich sonst noch herausgefunden habe! 
Viel Spaß! =) 

Conny: „Welcher Grundvoraussetzungen bedarf es, Ihrer Meinung nach, heutzutage, um Erfolg im Medien- Bereich (als Schauspieler oder Comedian) zu haben?“
G. Tufts: „Gute Frage! Ich weiß nicht, ob es sich so wahnsinnig verändert hat, ehrlich gesagt. Ich glaube, man muss eine solide Ausbildung haben, die „basics“. Da ist es egal, ob man ein Performer ist oder ein Sänger. Bei letzterem sind die „basics“ zum Beispiel das Noten lesen können, ein Schauspieler hingegen muss richtig sprechen können und Körper, Stimme und Kopf miteinander in einen Zusammenhang bringen. Das ist wirklich das A und O.“

Conny: „Sind denn die Anforderungen im Comedy- Bereich in den USA und in Deutschland gleich?“
G. Tufts: „Comedy ist in Amerika etablierter als hier. Hier ist Comedy auch noch nach zwanzig Jahren „Quatsch Comedy Club“ Neuland. Man muss um die Anerkennung, dass es sich um einen echten Beruf handelt, kämpfen.“

Conny: „Ist es für Frauen in Deutschland schwerer, im Comedy- Bereich Fuß zu fassen?“
G. Tufts: „Auch in Amerika gibt es weniger weibliche Comedians. Comedy ist ein Boys- Club. Es war immer so und es wird immer so sein. Das hat mit der Tatsache zu tun, dass wir Frauen sind. Die Männer schmeißen etwas raus in die Welt und wir denken eben drüber nach. In den Staaten gibt es mehr weibliche Comedians als in Deutschland. Es gibt auch Vorreiterinnen, aber die sind auch in der Minderheit. Viele Leute denken, man steht auf der Bühne und ist witzig. Nach dem Motto: „Ich erzähle Witze auf einer Party! Ich bin Comedian!“. Und ich glaube, man muss schreiben können. Die Leute realisieren nicht, dass ein Comedian auch ein Autor ist. Und die besten (für mich) wie Volker Pispers und Dieter Nuhr sind geniale Schreiber.“

Conny: „Schreiben denn viele Comedians selbst oder haben viele auch Gagschreiber?“
G. Tufts: „Die meisten machen das selbst. Wenn man natürlich ins Fernsehen kommt oder in eine Gagshow, dann hat man Gagschreiber oder wenn man wirklich erfolgreich ist und dann ca. 300mal im Jahr auftritt, braucht man Hilfe. Oder man hat einen Partner. Ich habe lange mit Thomas Hermann zusammen gearbeitet. Er hat nicht für mich geschrieben. Ich habe geschrieben und er war eine Art Redakteur. Ich habe ihm Sachen vorgelesen und die Stellen, an denen er gelacht hat, haben wir rot unterstrichen. Aber die meisten, die wirklich erfolgreichen, schreiben natürlich selbst. Das ist ein Teil des Jobs. Friseure müssen ja auch shampoonieren können!“

Conny: „Welche Ausbildung braucht es denn, um Comedian werden zu können? Braucht es überhaupt eine? Reicht es, wenn man ein angeborenes Talent hat?“
G. Tufts: „Angeborenes Talent ist ein Teil, aber eine Ausbildung ist auch wichtig. Man kann alles lernen. Man kann schreiben lernen. Man muss nicht an die Uni gehen, aber Schreibworkshops, also „creative writing“ sind sinnvoll. Ich finde, man muss außerdem eine körperliche Ausbildung haben. Dinge wie Timing kann man auch lernen. Das ist ein abstrakter Teil, aber ein sehr wichtiger. Rüdiger Hofmann ist zum Beispiel ein Meister von Timing! Er ist eben wahnsinnig langsam. Zum Thema „Körperlichkeit“ kann man sich jemanden wie Michael Mittermeier anschauen! Die Körperlichkeit ist ein großer Teil seiner grandiosen Arbeit. … Und man muss sich alles anschauen… die Geschichte der Comedy lernen. Die Geschichte hat nicht angefangen mit „RTL Samstagnacht“. Die Geschichte geht zurück nach Amerika, zurück zu Deutschland in die 20er Jahre. Man muss auch leider immer wieder an den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg denken. Da gab es auch jüdische Entertainer wie Max Reinhardt. Was haben die gemacht? Was ist mit denen passiert? Warum sind sie nach Hollywood gegangen? Was haben sie dort gemacht? Man kann natürlich auch in Deutschland Casting- Shows gewinnen und Comedian werden, aber ich finde, um ein Weltklasse- Comedian zu sein, muss man mehr arbeiten. Und ich schaue auch meine Kollegen an. Mittermeier ist ein gutes Beispiel dafür. Er war der Erste mit einer CD, der Erste mit einer großen Tournee, der Erste in den Stadien. Ich kenne Michael seit Jahren. Er war im „Quatsch Comedy Club“ hinter der Bühne und er nimmt bis heute jeden Auftritt auf. Nach der Show kann er schauen, was funktioniert hat und was nicht. Selbstkritik ist sehr, sehr wichtig. Comedians sind komische Leute. Eine Mischung zwischen einem Drang zur Erzählerei, meine eigene Meinung zu sagen und totalen Selbstzweifeln.“

Conny: „Hat man noch klassische Vorbilder?“
G. Tufts: „Comedy ist ein sehr subjektives Ding. Entweder man trifft den Geschmack oder nicht. Ich liebe zum Beispiel die britischen Comedians. Man muss immer mitdenken. Die sagen nicht „A, B, C“, die sagen „A“ und „C“ und der Zuschauer muss das „B“ herausfinden. Wahnsinnig intelligent und lustig!“

Conny: „Wenn Sie zurückblicken… würden Sie alles nocheinmal genauso machen? Oder würden Sie etwas anderes machen als Comedy?“
G. Tufts: „Ich nenne mich nie „Comedian“. Ich bin Entertainerin, weil ich auch Musik mache und mich eben zwischen den Genres bewege. Ich bin jetzt 52. Ich habe aber nie gedacht: „Ich bin ein Comedian, ich gehe nach Deutschland, wo ich die Sprache nicht spreche, ich spiele jetzt die amerikanische Dicke!“. Das war nie mein Ding! Ich bin hierher gekommen, um im Tanztheater zu arbeiten. Ich würde aber alles wieder genauso machen, da ich meinem Herzen gefolgt bin. Die Leute, die ich getroffen habe, haben Türen für mich geöffnet und ich habe immer geschaut, wie ich etwas anbieten kann.“

Conny: „Also gehört auch viel Glück dazu?“
G. Tufts: „Das ist immer ein großer Faktor. Ich bin sehr, sehr froh, dass ich die solide Ausbildung der New York University habe. Die Techniken, die ich da gelernt habe, nutze ich jedes Mal.
Als Comedian ist man immer ein Stück weit wie ein Hofnarr. Und das ist schwer, auch für Frauen. Nach dem Motto: „Jetzt zeige ich mal, wie blöd ich bin! Ich mach mich zum Depp!“. Aber das ist unser Job.
Ich hatte das Glück, dass ich aus der Tanz- Performance- Szene in New York komme. Das waren die 80er Jahre und da war alles gemischt: Tanz, Theater, Musik, Pop- Musik, Punk, New Wave. Die Grenzen waren immer fließend und meine Dozenten haben immer gesagt: „Mach was! Geh raus und mach was! Warte nicht, dass dir jemand sagt, was du machen sollst!“. Und das bedeutet eben auch zum Beispiel zu wissen, wie man eine Pressemitteilung schreibt, dass man ein Budget errechnen kann, ein Theater selbst mieten kann. Es war immer „do it yourself!- aber mach es gut!“. Die jungen Leute sollten nicht denken: „Ich muss zu RTL! Ich muss zum Fernsehen!“. Es gibt verschiedene Wege! Comedy ist nicht EIN Ding. Der Bereich erstreckt sich von Kabarett bis zu Musik. Es gibt die Leute, die Charaktere spielen und es gibt Leute, die sind sie selbst.“

Conny: „Fällt es denn schwer, den Charakter auf der Bühne zu spielen, wenn man mal nicht so gut drauf ist?“
G. Tufts: „Das weiß ich nicht. Ich spiele keinen Charakter. Ich mache eine Art Zwischending… quasi „ich plus…“. Man geht trotzdem raus und macht seine Nummer. Das ist wie bei einem Schauspieler. Bei Leuten wie Atze Schröder ist das etwas anderes. Den kennt man privat garnicht. Das ist natürlich ein Schutz. Das ist ein vollkommen anderer Charakter, in den man einsteigt. Was einfacher ist, weiß ich auch nicht. Man muss einfach etwas probieren, das noch nicht gemacht wurde.
Und erwarte nie, mit diesem Beruf Geld zu machen! Die drei Leute, die ganz viel Geld machen, sind eine Ausnahme. Comedian zu sein, ist ein unglamouröser Beruf im Entertainment- Business. Ich war gerade für drei Wochen auf Tournee und war jeden Abend woanders. Ab und zu muss man auch „on the road“. Drei Wochen sind aber für mich irgendwie die Grenze. Drei Wochen, kleine Pause und dann nochmal drei Wochen.“

Conny: „Sie kommen ja auch nach Düsseldorf ins Savoy- Theater!“
G. Tufts: „Ja. Das ist ein schöner Raum zum Spielen. Das ist interessant, wenn man unterwegs ist. Man ist im Auto oder im Zug, man kommt an, macht Soundcheck, isst was und macht die Show, trinkt vielleicht ein Bier mit den Technikern nachher und dann geht es ins Hotel… und der nächste Morgen fängt wieder an. Man ist sehr froh, wenn ein Kollege oder Freund oder Fans da sind, um „Hallo!“ zu sagen, aber es ist wirklich wenig Zeit. Ich hab großen Respekt vor Kollegen, die das 200- 250mal im Jahr machen.
Volker Pispers ist, meiner Meinung nach, der beste Kabarettist, der beste Comedian in ganz Deutschland. Und viele Leute kennen ihn nicht! Er geht auf die Bühne und macht. Und das seit Jahren! Das ist auch ein Thema, weswegen Frauen Comedy nicht so lange machen können oder wollen. Alle männlichen Comedians, die ich kenne, haben eine sehr nette Frau und mindestens ein oder zwei sehr hübsche Kinder. Die Frau hat fast alles in der Hand, sorgt für die saubere Unterwäsche der Männer. Männer können das nicht allein machen. (lacht)Oft ist der Ehepartner auch der Manager oder man hat eben einen starken Manager und eine Frau. Eine Frau für die seelischen Dinge. Um zu wissen, dass alles gut läuft zuhause. 
Die Community bei Comedians ist auch toll. Klar gibt es ein paar Kollegen mit Ellenbogen- Menthalität, aber die meisten sind wirklich sehr nett. Man freut sich, wenn man sich im Bahnhof in Bielefeld trifft. Neulich hab ich da Ingo Oschmann getroffen. Er hat mir für die Fahrt einen Kaffee und ein Brötchen gekauft. Und das ist toll! 
Trotzdem ist es ein harter und unglamouröser Job. Eine ganze Show zu spielen ist leichter, als ein drei- Minuten- Auftritt in einer Sendung. Bei einer ganzen Show ist man im Fluss und souverän. Wie beim Crosstraining. Eine Stunde walken ist einfacher als Situps, Pushups… zack, zack, alles hintereinander.
Comedian sein, ist kein Job mit Sicherheitsaspekt! Es gibt keine Formel für den Erfolg und man wird davon nicht reich.
Die älteren Kollegen machen den Job meistens mit links. Piet Klocke, zum Beispiel. Der könnte das Telefonbuch vorlesen und ich würde es witzig finden. Das ist eben Geschmackssache. Um Comedian zu werden, muss man einfach machen! Wenn eine offene Bühne irgendwo angeboten wird: MACH DAS! Nur durch das Ausprobieren auf der Bühne kann man herausfinden, ob man die Stärke dafür hat, als Comedian zu arbeiten. Und immer weiter lernen und selbstkritisch sein.“