Hallo, ihr Lieben!
Mit „The Machinists Of Joy“ melden sich die Krupps zurück.
Der Tourkalender ist voll… und dennoch bekam Julia Audienz bei dem Post-Industrial Veteranen Jürgen Engler. Mit ihm sprach sie über die Krupps Dynastie, das Stahlophon und die neue Platte.
Und welche Rolle Malzbier dabei hat…
Lest selbst!
Julia: „Zunächst hast du Punk Musik gemacht. Wie machte sich der Wandel in Richtung Industrial bemerkbar?“
J. Engler: „Das war eigentlich eine spontane Sache. Es gab parallel zum Punk eine Elektro-Punk Bewegung wie Suicide, Human Legue und The Normal u.a. . Besonders die amerikanische Seite faszinierte mich. Genau das habe ich immer mit mir mitgetragen. Irgendwann, als ich mit Male gespielt habe als Vorband für The Clash, ist mir bewusst geworden, dass die musikalischen Interessen weit weg voneinander lagen. Neben The Clash waren wir eine kleine Punkband. Wir bemerkten, dass die Revolution wie sie damals stattgefunden hat, nicht mehr so war wie zu Beginn. Sie war extrem kommerziell ausgerichtet. Ich habe das Gefühl gehabt, wir drehen uns im Kreis und ich wollte voran kommen. In diesem Moment, als wir mit The Clash auf der Bühne standen wurde mir bewusst, dass wir musikalisch nicht mehr auf einer Wellenlänge waren. Wir nahmen nicht an derselben Revolution teil. Ich wollte einfach weg. Auch das Publikum hat sich stark verändert. Es wurde immer prolliger. Am Anfang war die deutsche Punk Szene gymnasial und viele Studenten nahmen daran teil. Das änderte sich mit der Zeit. Mit der Sid Vicious Sache zum Beispiel bewegte sich der Punk in Richtung „Manta-Fahrer“ und wir fühlten uns eben nicht mehr angesprochen. Bands wie Suicide und Pere Ubo waren wegbereitender. David Thomas (Sänger) hat bei dem ersten Album „The Modern Dance“ Punkriffs auf der Gitarre abgefeuert und hat dazu Hammer auf Amboss oder Flex auf Stahlträger hinzugefügt. Das hat mich extrem beeindruckt und ich hatte die Idee, so etwas auch zu machen, mit mir herum getragen. Ich habe mir überlegt, die Gitarrenriffs wegzulassen und experimentiert… Metall auf Metall oder Stahlträger mit Flex und all solche Dinge versucht. Das Ganze habe ich mit atonalen Lärm gemischt . Ich habe mich damals mit massive Metal Music beschäftigt. Das fand ich schon immer interessant… auch vor dem Punk. Ich fand es ebenso interessant, mit einer Radikalität LPs mit Lärm zu füllen. Da kam alles zusammen und daraus ist die Idee der Stahlsymphonie entstanden, das erste Album, welches die erste Industrial Platte überhaupt war, zumindest in Deutschland. Es gab anschließend extremes Interesse an den Krupps und wir waren auch schnell Album of the week in der britischen NMI. Wir bekamen auch Konzertanfragen. Schnell wurde klar: wir mussten mehr Lieder machen, denn die Stahlsymphonie besteht aus vielleicht 20 Minuten, aber damit kann man kein Konzert bestreiten. Also begannen wir, Stücke zu schreiben. Ralf hatte damals den Synthesizer und wir haben schnell gemerkt, dass man diesen Sound mit Elektro gut vermischen kann. Dadurch, dass ich auch Gitarre spiele, bin ich sehr rhythmisch und riffbetont. So wurden die Krupps tanzbarer und elektronisch. Das war die gesamte Entwicklung.“
Julia: „Zur Entstehung des Bandnamens: War es ähnlich wie bei AC/DC? Irgendwann auf die Maschine geschaut und sich gedacht „Die Krupps“ klingt gut oder hat es eine andere Bedeutung?“
J. Engler: „Ganz andere Sache. Das Ding ist, dass unser erstes Werk die Stahlwerksymphonie war. Die Idee war, eine Symphonie zu schaffen aus Klängen wie Hammer auf Amboss, Flex mit Stahl etc. . Das war die Uridee. Wir kamen aus dem Ruhrpott, auch wenn Düsseldorf nicht die Hochindustrie war. Mannesmann war ja auch in Düsseldorf. Beim Bandnamen sollte eine Verbindung hergestellt werden zwischen Namen und dem Sound. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich mit meinem Cousin Brainstorming betrieben habe. Da kamen wir von den Mannesmännern irgendwann auf die Krupps. Seit dieser Name gefallen war, machte es bei mir Klick und ich wusste, das ist es! Krupps ist ein Beispiel dafür, wie die Welt Deutschland sieht. Auf der einen Seite eine starke ökonomische Macht und eben die Behaftung mit der üblen Vergangenheit. Es war einfach perfekt. Alle Facetten wie Deutschland im Ausland gesehen wird, spiegeln sich in dem Namen wieder. Hinterher hat es natürlich Feuer gegeben bei politischen Texten. Nehmen wir zum Beispiel „Fatherland“, „The Maniac“ etc. oder „Nazis auf Speed“. Das hat dann auch einen Sinn gegeben und das war das Ziel.“
Julia: „Als ich die Krupps zum ersten Mal hörte, musste ich sofort an den Ruhrpott denken. Andere Musiker sind fasziniert vom Mittelalter und du anscheinend von der Industriekultur. Wann begann diese Begeisterung?“
J. Engler: „Das ist weniger Faszination, sondern mehr ein Auseinandersetzen damit. Wir sind damit groß geworden und die ganze Thematik ist stark verbunden mit der deutschen Geschichte. Du kannst es dir so vorstellen: Die Krupps sind die Blaumannträger im Kraftwerk. Auf der einen Seite steht die schicke Hightech Version mit Models Robo etc. und auf der anderen Seite die Krupps für die Arbeiterfraktion. Wir hatten einen anderen Sound als zum Beispiel Kraftwerk, denn wir waren von anderen Bands beeinflusst. Kraftwerk hat mich nie sonderlich beeinflusst, es waren mehr die Bands aus der Richtung Punk und deswegen unterscheidet sich der Sound. Was die Industriekultur angeht, war alles Teil des Ganzen. Schmutz und Dreck waren wahre Arbeit und wahre Arbeit war wahrer Lohn. Das sind eben Schlagwörter aus der Arbeiterklasse. Ganz am Anfang gab es die DKP noch. Wir hatten wir immer ganze Gruppen von DKP roten Jackenträgern im Publikum. Das hat sich über die Jahre hin geändert. Wir hatten dann das Image der linken Arbeiter.“
Julia: „Es herrschte eine lange musikalische Pause. Wie hat sich die Band wieder zusammengefunden? Schließlich wohnte man nicht einmal mehr im selben Land…“
J. Engler: „Es war einfach an der Zeit. Unser Backkatalog wurde wieder frei. Dann habe ich mit Ralf gesprochen und wenn der Katalog frei wird, wollten wir darüber sprechen wie wir ihn verwerten. In den 90ern haben wir ausgiebig getourt. Das stresste enorm. Es stauten sich Probleme auf. Irgendwann hatte man die Schnauze voll voneinander. Dann noch im engsten Raum und ohne Privatsphäre in einem Nightliner. Irgendwann haben wir das Projekt auf Eis gelegt. Bis der Katalog wieder frei wurde. Wir haben uns auch wieder super verstanden. Ich hatte wieder Lust was zu machen, denn ich bin ein Typ, der immer aktiv sein muss. Ich kann nicht ruhig sitzen bleiben. Zumal liegen mir die Fans auch am Herzen. Als wir 2005 zurückkamen, wussten wir nicht wie die Rückkehr verlaufen würde. Nach so einer langen Zeit weiß man nicht, wie das Publikum auf einen reagiert und wo sie stehen. Aber 2005 auf dem WGT wussten wir, dass die Leute uns noch kennen und seitdem sind wir wieder dabei.“
Julia: „Dieses Jahr durften wir euch auch auf der Bühne auf dem M’era Luna Festival 2014 erleben . Aber ihr habt auch ein Spontankonzert in Düsseldorf gegeben. Wie ist es denn zu diesem kleinen exklusiven Konzert gekommen?“
J. Engler: „Also, das M’era Luna war ein tolles Konzert. Es waren tausende von Leuten dort und alle Hände oben, das ist schon ein tolles Gefühl. Das muss ich ehrlich sagen. Ich hatte vorher noch ein paar Bands gesehen und da war vor der Bühne nicht so viel los. Wir waren ja auch nicht so spät dran, aber bei uns war der Platz rappelsvoll. Das Ganze wurde ja auch aufgenommen. In Düsseldorf war das so: Das Ding war, dass wir auf unserer Tour viele Stationen hatten. Nach London hatten wir weitere Gigs in England, dann Skandinavien und als ich auf den Plan gesehen habe, dachte ich mir: wir müssen nochmal zurück nach Düsseldorf. Wir hatten seit 1994 nicht mehr in Düsseldorf gespielt. Nur in der Nähe, also Bochum, Köln und Krefeld, aber nie in Düsseldorf. In der Zeit von Socialmedia müssten wir doch was stemmen können, dachte ich. Dann habe ich drei Tage vor der Show einen Termin mit einem Club ausgemacht. Im Haus der Jugend ist es anders als in großen Konzerthallen. Ich habe angefragt und sie haben ihr okay gegeben. Trotzdem war alles eine kritische Sache, denn der Termin war an einem Sonntag und da war die Frage, ob die Leute überhaupt noch raus wollen. Danach haben wir alles über Facebook geteilt. Viele haben es erst für einen Gag gehalten, doch als ich dann mit Nachdruck den Gig bestätigt habe, war die Hütte rappelvoll und es war einer der besten Gigs auf der Tour.“
Julia: „Ihr habt ein Instrument dabei, das aus Metallrohren besteht. Eine Eigenkreation oder gibt es dieses Instrument tatsächlich?“
„“Stahlophon“ nenne ich es.“
Julia: „Ist es also eine Eigenkreation…?“
„Aber klar doch. Von mir. Damals als wir die Stahlsymphonie gemacht haben, hatte ich überall im Studio Metallteile liegen und darauf rum geschlagen und als es auf Tour ging, dachte ich mir: was mache ich denn da? Es ist ja alles schön und gut auf diese Metallteile zu schlagen. Doch ich musste sie so vor mir haben, dass es spielbar ist und auch vernünftig aussieht. Also ohne, dass ich auf den Knien herum rutschen muss. Dann habe ich einen Xylophon Spieler in einer Jazzband gesehen und dann bekam ich die Idee. Es wäre perfekt, wenn ich meine Metallrohre wie ein Xylophon aufbauen könnte. Dann habe ich mir ein Gestell gebastelt, meine Teile darauf gelegt und zusammengebunden. Trotzdem hatten wir unsere ganzen Koffer mit den Metallteilen dabei, die wir im Studio verwendet hatten. Diese ganzen Metallteile hatten wir auf der Tour damals ins Publikum gekippt und die konnten auf den Dingern rumschlagen. Das komplette Publikum war involviert und jeder konnte mitmachen. Das müsste man mal wieder machen. Das war ein klasse Ding. Aber das war die Urform der Stahlophons. Ich habe es im Laufe der Zeit weiterentwickelt und verfeinert. Jetzt habe ich das perfekte Stahlophon mit den verschiedensten Teilen und Rohren. So wurde es auch zum Kernstück der Krupps.“
Julia: „Neben der Affinität zur Industriekultur behandeln ihr auch andere Themen in ihren Songs. Da wäre einmal der Nationalsozialismus (Nazis auf Speed).Was bewegt euch dazu, ein solches Thema wie den Nationalsozialismus aufzugreifen?“
J. Engler: „Es ist ein immer wiederkehrendes Thema. Da gibt es Probleme mit dem ganzen Naziquatsch und es gibt immer wieder einen Punkt. Wir haben uns immer dagegen gestellt und Farbe bekannt. Es ist auch schön zu sehen, wie jetzt auf dem M’era Luna, wenn das Publikum mitsingt und auch versteht, worum es in diesen Texten geht. Ich glaube auch, dass das die wenigsten Bands von sich sagen können. Gerade weil wir eben aus dem Land kommen, wo das alles stattgefunden hat, ist es wichtig sich damit zu beschäftigen. Es gibt genug Bands, die dies tunlichst vermeiden, obwohl sie es unbedingt tun sollten. Weil sie wissen, dass sie einen Teil des Publikums verlieren würden und auch genug Geld machen können, wenn sie es nicht tun. Denn wenn du keine Farbe bekennst, wissen die Leute nicht wo du stehst. Das machen wir nicht. Unser Publikum findet es, denke ich, gut, dass wir nicht so sind. Das die Texte klar sind und es muss nicht versucht werden, irgendwas heraus zu erahnen. Ich komme aus der Punkszene und das ist eines meiner Anliegen. Das ist mir wichtig.“
Julia: „Das aktuelle Album von die Krupps ist „The Machinists Of Joy“. Mit Liedern wie u.a. Essenbeck nähert ihr euch der Krupps Dynastie an. Ist im Laufe der Jahre ein größeres Interesse entstanden?“
J. Engler: „Es ist ja nicht das erste Mal. Wir haben vorher auch Lieder über dieses Thema gemacht. Ein weiterer Einfluss war auch der Film „Die Verdammten von Visconti“. „Schatten der Ringe“ und „Essenbeck“ beschäftigt sich mit der Krupps Dynastie. Immerhin heißt die Band die Krupps und es ist wichtig, auch die Historie zu beleuchten. Für dieses Album fand ich es besonders wichtig, weil dieses Album die Essenz der Krupps sein sollte. Es vereint alle musikalischen Stile. Von den hymnischen Klängen (Robo Sapien, Schatten der Ringe) bis zu den Rockelementen der 90er (Nazis auf Speed). Auch die textlichen Elemente sollten so verarbeitet werden. Von gesellschaftskritisch bis historisch relevante Texte. Das ist ein ganzes Konzept. Damit schaffen wir einen kleinen eigenen Kosmos, den Krupps Kosmos. Bei den Krupps ist immer alles konzeptionell verwoben. Wir haben immer ein Konzept dahinter.“
Julia: „Wird dieses Konzept in den kommenden Projekten beibehalten?“
J. Engler: „Auf jeden Fall! Es wird immer der gewisse „Kruppbaustein“ beibehalten. Aber das nächste Album wird nicht wie das aktuelle klingen. „The Machinists Of Joy“ ist eine Rundum-Beleuchtung des gesamten Schaffens. Textlich und musikalisch. Das nächste Album wird in eine andere Richtung gehen, aber immer noch die Krupps bleiben. Die Rockelemente werden wieder ein wenig herausgekehrt.“
Julia: „Die Tour führt euch auch in die USA, deine Wahlheimat. Was hat dich dazu bewegt, in die USA zu ziehen? Kindheitstraum oder spätere Begeisterung?“
J. Engler: „Ich wollte schon immer weg aus Deutschland. Ende der 70er war ich zum ersten Mal in den Staaten und es hat mir super gefallen. In den 80ern war ich öfters hier und hatte auch eine amerikanische Freundin als ich für fünf Jahre in New York war . Deswegen war ich auch öfters hier, denn sie hatte ihre Familie hier und ich habe mich richtig eingelebt. Zwischendurch hatte ich von 1991-1995 auch eine Wohnung in New York und habe auch meine damalige Frau in Texas kennengelernt, mit der ich zehn Jahre zusammen war. Wir sind zusammen nach Austin gezogen und seitdem lebe ich seit fast 20 Jahren in Austin/ Texas und fühle mich wohl.“
Julia: „Vermisst du etwas aus Deutschland?“
J. Engler: „Nein. Das Erste, was mir einfallen würde, aber das gibt es mittlerweile hier, ist Malzbier. Aber dafür würde ich nicht zurück nach Deutschland kommen. Nie wieder. Ich meine, ich liebe unsere Fans dort, habe auch Freunde dort. Aber wohnen könnte ich in Deutschland nicht mehr.“