49 Wohnungsdurchsuchungen, 5 Vernehmungen, 1.004 sichergestellte Speichermedien – das ist die Bilanz eines großangelegten Einsatzes der hessischen Polizei.
Insgesamt 215 Ermittlerinnen und Ermittler waren in dieser Woche von Montag bis Freitag bei Schwerpunktmaßnamen der BAO FOKUS hessenweit im Einsatz.
Hintergrund war einmal mehr die Bekämpfung von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche.
Den 51 Beschuldigten im Alter von 16 bis 76 Jahren, darunter 3 Frauen, werden Herstellung, Besitz und Verbreitung von Kinderpornographie oder sexueller Missbrauch von Kindern zur Last gelegt.
Die Beschuldigten stehen nach jetzigen Erkenntnissen untereinander nicht in Kontakt. Fünf von ihnen mussten im Anschluss an die Durchsuchungen zur weiteren Vernehmung mit auf die nächstgelegene Polizeidienststelle.
Unter ihnen befand sich ein 47 Jahre alter Mann aus Kassel. Gegen ihn wird wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs einer 13-Jährigen ermittelt.
Die Mutter des Kindes hatte Anzeige bei der Polizei erstattet, weil ein Unbekannter via Instagram-Messenger Anfang des Jahres Kontakt zu ihrer Tochter aufgenommen hatte.
Seit April dieses Jahres schilderte er ihr seine sexuellen Fantasien und teilte ihr später auch mit, diese mit ihr ausleben zu wollen.
Cybergrooming ist strafbar
Dirk Hintermeier, er leitet bei der BAO FOKUS im Hessischen Landeskriminalamt den Bereich der Prävention, sagt: „Das sexualisierte Ansprechen von Kindern und Jugendlichen durch erwachsene Täter im Internet nennt man Cybergrooming. Cybergrooming ist strafbar.“ Die Täter suchen zumeist auf Plattformen, die bei Kindern und Jugendlichen beliebt sind, Kontakt zu potenziellen Opfern. „Diese werden angeschrieben und in zunächst harmlose Gespräche verwickelt. Es wird Vertrauen aufgebaut. Später drängen sie die Kinder und Jugendlichen dann dazu, selbst hergestellte erotische oder pornografische Bilder und Videos zu senden, oder verabreden Treffen.“
Die Zielrichtung der Täter, die sich gegenüber potenziellen Opfern oft als Gleichaltrige ausgeben, kann demnach von sexualisiertem Schreiben im Netz über die Erlangung von kinder- und jugendpornografischem Bild- und Videomaterial bis hin zum schweren sexuellen Missbrauch in der Realität reichen.
„Häufig verschweigen die Opfer, was ihnen zugestoßen ist – aus Scham oder Angst vor den Reaktionen der Eltern.“
Im Rahmen intensiver Ermittlungen ergaben sich Hinweise, dass der 47-Jährige aus Kassel der Inhaber des verwendeten Instagram-Accounts sein könnte.
Diesem Instagram-Account können eine große Anzahl von Kontakten zugeordnet werden, darunter mutmaßlich zahlreiche Kinder und Jugendliche im Alter von 11 bis 16 Jahren aus dem Raum Kassel. Einsatzkräfte der Polizei durchsuchten am Mittwochmorgen die Wohnung des Mannes. Die weiteren Ermittlungen werden zeigen, ob er über den Instagram-Account an die 13-Jährige und gegebenenfalls auch an weitere Kinder sexualisierte Nachrichten geschrieben hat.
Präventionsfachmann: Vorsicht bei virtuellen Kontakten
Immer wieder verschaffen sich Täter erfolgreich Zugang ins Kinderzimmer. Das Dunkelfeld im Bereich des Cybergroomings ist hoch. Dirk Hintermeier rät Kindern und Jugendlichen, in der virtuellen Welt noch vorsichtiger zu sein, als in der realen. Täter können sich im Internet leicht eine falsche Identität zulegen. „Man sollte im Netz nicht zu viel von sich preisgeben, etwa die eigene Anschrift oder Handynummer.“
Der Kriminalhauptkommissar empfiehlt zudem, niemals verfängliche Fotos oder Videos von sich anzufertigen und zu versenden, sich nicht von einer Plattform in einen privaten Chat ziehen zu lassen.
Für den Fall, dass man sexualisierte Nachrichten erhält, sollte der Chat dokumentiert und die Polizei verständigt werden. Eltern sollten ihre Kinder zudem über die Risiken im Internet aufklären, sie bei ihren ersten Schritten im Netz belgeiten und auch danach in engem Austausch mit ihnen bleiben.
Weitere Informationen und Verhaltenshinweise rund um das Thema Cybergrooming-Prävention gibt es im Internet unter www.polizeifuerdich.de
Erstes Gerichtsurteil in Ermittlungsverfahren
Ein erstes Verfahren, in dem die BAO FOKUS (Besondere Aufbauorganisation für fallübergreifende Organisationsstruktur gegen Kinderpornografie und sexuellen Missbrauch von Kindern) ermittelt hatte, fand vor wenigen Wochen am Landgericht Gießen seinen Abschluss:
Der 31-jährige Angeklagte gestand, 2020 die damals einjährige Tochter seiner Lebensgefährtin missbraucht und die Tat mit seinem Smartphone gefilmt zu haben. Der Mann wurde zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Zufall half den hessischen Ermittlerinnen und Ermittlern dabei, dem 31-Jährigen auf die Spur zu kommen: Er hatte sein Smartphone, auf dem sich das besagte Video befand, verloren. Bei Grünschnittarbeiten wurde es gefunden und im Anschluss zur Polizei gebracht, die den früheren Besitzer ausfindig machen konnte.
Gesamtkoordination im Hessischen Landeskriminalamt
Bereits seit Oktober 2020 gehen über 130 Ermittlerinnen und Ermittler der BAO FOKUS hessenweit fokussiert gegen sexuelle Gewalt an Kindern vor.
Im Hessischen Landeskriminalamt werden die Einsätze vom dortigen Führungsstab koordiniert, in den sieben hessischen Polizeipräsidien wurden jeweils Regionalabschnitte gebildet. Alle sieben Regionalabschnitte waren an den Durchsuchungsmaßnamen der vergangenen Woche beteiligt.